08 – Löhertor (Fulda anders)

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Die Löherstraße zwischen Weyberspital und Walkmühl

Das Handels- und Gewerbezentrum Fuldas an der Via Regia

Wer im Mittelalter auf einer der bedeutendsten europäischen Handelsstraßen von Frankfurt nach Leipzig fuhr, musste in Fulda die inzwischen über 700 Jahre alte Löherstraße durchqueren. Hier blühten Handwerk, Handel und Gewerbe. Prominente Durchreisende wie Goethe stiegen regelmäßig im Gasthaus „Zum Schwan“ ab. (Löherstr. 23-25). Der südliche Fuldaer Vorstadtbereich, auch Fuldas „Tor zur Mitte“ genannt, war immer wieder deutlichen Veränderungen unterworfen. Aktuell wird gerade das 1984 eingeweihte Einkaufs- und Freizeitzentrum Löhertor abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Bis lange nach dem 2. Weltkrieg standen hier auf einer Teilfläche die Hutstoffwerke. Das in den 70iger Jahren von Pilot Fred Kremser aufgenommenen Luftbild zeigt hier nur noch eine Freifläche. Angefangen hatte alles im Jahr 1387 mit dem Bau des Fuldakanals durch die Wollweberzunft von Kohlhaus bis zum Löhertor, um die Kohlhäuser Walkmühle in Stadtnähe zu bringen. Der Kanal endete kurz vor der Löherstraße, um dann an der Johannisstraße zur Fulda zurückzufließen. Auf unserem Luftbild aus den 70iger Jahren unten links noch gut zu erkennen, gibt es ihn heute dort nicht mehr.

In den Walkmühlen wurden warme und feuchte Wollstoffe so gequetscht und gestampft, dass sich ihre Oberfläche verfilzte und ein glattes, möglichst wasserabweisendes Gewebe entstand. Auch Leinen wurden so bearbeitet und dadurch geschmeidiger. Die Maschinen in den Wassermühlen übernahmen die Arbeit, die vorher mit den Füßen erledigt worden war. Walkmühlen wurden auch zur Lederveredlung genutzt, was aber mit erheblichen Geruchsbelästigungen und Wasserverunreinigungen verbunden war. Nach den Fuldaer Statistiken bilden die Leinenweber und die Wollweber im 16. Jahrhundert das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt. Die Rohstofflieferanten kamen aus dem Umland. In der rauen Hochrhön war oftmals die Schafzucht mit der Wollerzeugung die einzige Erwerbsquelle während in der fruchtbareren Vorderrhön Flachs als Ausgangsstoff für die Leinenherstellung angebaut wurde. An den langen Winterabenden spannen die Bäuerinnen die Wolle zu Fäden und überließen diese wandernden Webern, die das rohe Lodengewebe herstellten. In den Fuldaer Walkmühlen wurden daraus wasser- und winddichte Walkloden, die Grundlage für die bäuerliche Bekleidung. Bei der Leinenherstellung war die sog. „Beiderwand“ als Fuldaer Spezialität bekannt. Hier wurden Kettfäden von Leinen mit wollenen Schussfäden verbunden. Dass die „Tuchherstellung“ in Fulda nicht besonders ertragreich war, sieht man an einer 1625 ausgesprochenen Beschwerde gegen die Zünfte der Leinen- und Wollweber. (Fein, Schwerdtfeger: Vom Niedergang der Zünfte, Frankfurt 1990) Sie wurden wegen unprivilegiertem Handel mit Seife, Essig, Gewürze, Sensen und Sicheln angezeigt. Der Handel war es auch, der den „Lohgerbern“ bei Fulda zunehmend Probleme bereitete. Heinrich von Bibras (1759-1788) Chausseebau führte zwar zu verbesserten Verkehrswegen für den Handel, gleichzeitig aber traten andere europäische Tuchhersteller jetzt als heftige Konkurrenten mit vor allen Dingen besseren Qualitäten auf. Die Walkmühlen mussten ihre Arbeit einstellen.

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verlor die Gerberei an Bedeutung – nicht aber die Löhersgasse. Hier siedelten sich neue Berufsstände, Färber und Textilunternehmer an. In der Löhersgasse standen die ersten Fabriken Fuldas – zum Beispiel die „Teppich-, Leinen- und Baumwollweberei“ von Burkhard Müller.

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Löhertor // Fulda Anders – Teil 08