Unter dem Text finden Sie einen Link, der zu den zum Artikel gehörenden Fotos führt
Bahnstrecke London-Horas-Wien
Riesige Dämme und Brücken für die Vogelsbergbahn durchs Fuldatal
Schon wenige Jahrzehnte nach der Erfindung der Eisenbahn und ersten erfolgreichen Streckenführungen in Bayern träumte man auch in Hessen von der Teilhabe an der großen weiten Welt. Für eine Eisenbahnverkehrsachse zwischen London und Wien wollte man das Teilstück von Gießen nach Fulda bauen. Von hier aus sollte es durch die Rhön nach Schweinfurt weitergehen (was aber niemals realisiert wurde). Vom Vogelsberg kommend war bei Horas das Fuldatal zu überwinden, um dann um den Kalvarienberg/Frauenberg herum zum Bahnhof Fulda zu gelangen. Gewaltige Dämme mussten aufgeschüttet werden, eine große Brücke und zwei Unterführungen (Maberzeller Straße/Horaser Weg) waren erforderlich. Ein Eingriff in das Landschaftsbild, dem man damals mit der Aussicht auf die ersehnten besseren wirtschaftlichen Verhältnisse wohl bedenkenlos zugestimmt hatte. Die projektierten Baukosten von umgerechnet ca. 200 Mill. Euro für die 106 km von Gießen nach Fulda schien den staatlichen Stellen zu sehr risikobehaftet und man legte das gesamte Vorhaben einschließlich Lokomotiv- und Waggonlieferung in Privathand. Die private „Oberhessische Eisenbahngesellschaft“ beauftragte die belgische Baugesellschaft „Societe anonyme d’enterprises de chemin de fer, routes et canaux“ als Generalunternehmer. Diese hatte sich schon durch den Bau ähnlich schwieriger Strecken in Deutschland hervorgetan. Am 31.Juli 1871 wurden auch die letzten 20 km von Bad Salzschlirf nach Fulda eröffnet. Die Fahrtzeit betrug zwischen 2 und 3 Stunden. Der Steuerstand der Lokomotiven war komplett offen, damit die Lokführer bei 60-70 km/h die Strecke auch wirklich gut sehen konnten. Das führte bei 3 – stündigen Fahrten im Schneesturm und bei eisiger Kälte zu zahlreichen Erkrankungen der Lokmannschaften.
Für die Überquerung des Fuldaflusses bei Horas waren zwei 12 m hohe Stützpfeiler notwendig, die eine stählerne Fachwerkdeckbrücke trugen. Nach den üblichen Brückensprengungen am Ende des 2. Weltkriegs war auch die Horasbrücke nicht befahrbar. Man errichtete in der Nähe der Maberzeller Straße einen Noteinstiegspunkt, den die Fuldaer Reisenden bis Ende 1945 für Bahnfahrten Richtung Gießen benutzten. 2003/2004 ersetzte man sie für 7,5 Mio. Euro durch einen Neubau mit nur einem Stützpfeiler. Die tragende fachwerkartige Stahlkonstruktion befindet sich jetzt oberhalb des Gleisbetts. 1963 wurde der steinerne Brückenbogen über der Maberzeller Straße durch zwei kleinere Bögen rechts und links für Fußgänger ergänzt.
In der Nähe der Unterführung am Horaser Weg siedelte sich in den 90iger Jahren die Gärtnerei Budach an. Sie war vorher neben der Domschule in der Kronhofstraße. Seit der Betriebsaufgabe (2009) nutzt die Piusbrüderschaft das große Betriebsgebäude als Gottesdienstraum. 2012 entstand auf dem restlichen Gärtnereigelände der Wohnpark Horasbrücke. Für die Unterstützung bei den Recherchen zu diesem Beitrag gebührt Herrn Jürgen Röhrig aus Pohlheim noch besonderer Dank. Wohl dem Privatbau geschuldet, gab es selbst im deutschen Eisenbahnmuseum keine Informationen über die Geschichte der Vogelsbergbahn. Seine detaillierten Aufzeichnungen ermöglichten erst wesentliche Teile dieses Beitrags.